Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite („Drittes Bevölkerungsschutzgesetz“)
Bei der Entscheidung des Deutschen Bundestages zum dritten Bevölkerungsschutzgesetz am 18.11.2020 stimme ich gegen den vorliegenden Gesetzentwurf.
Zu Beginn der Corona-Krise, als die Lage durch steigende Infektionszahlen und einen ungenügenden Forschungsstand unübersichtlich war, war die erste Reaktion der Regierungen in Bund und Ländern nachvollziehbar. Genau für solche Fälle ist das Infektionsschutzgesetz, das der Exekutive im Notfall kurzfristige Handlungsfähigkeit ermöglicht, vorgesehen.
Die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgte Absicht, die Pandemiebekämpfung stärker legislativ zu legitimieren, geht im Grundsatz in die richtige Richtung. Der Deutsche Bundestag muss Reichweite und Grenzen exekutiven Handelns gemäß dem Parlamentsvorbehalt aktiv gestalten. Jedoch wird die pauschale – und im Übrigen nicht abschließende – Aufnahme der bereits ergriffenen Maßnahmen im neuen § 28a diesem Ziel aus meiner Sicht nicht gerecht. Über die Anwendung und den Umfang der Maßnahmen entscheiden weiter die Regierungen in Bund und Ländern.
Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf Gesellschaft und Wirtschaft sind exorbitant. Die Folgen beispielsweise in der Künstler-, Beherbergungs- oder Gastgewerbebranche sind in ihrem vollen Ausmaß heute noch gar nicht absehbar. Ebenso wenig absehbar ist das Ende der Corona-Krise.
Angesichts der Dauer und Schwere der Eingriffe in die Rechte der Bürger stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Die Menschen können die getroffenen Maßnahmen immer weniger verstehen und nachvollziehen. Zu viele berechtigte Fragen aus Wissenschaft, Ärzteschaft und Gesellschaft bleiben unbeantwortet. Ungeachtet jedweder Umfrage haben auch Abgeordnete ein Lebensumfeld, das ein gutes Gefühl vermittelt, was die Menschen denken. Sichtbar wird, dass die Teilnehmerschaft an öffentlichen Protesten und Demonstrationen zunimmt. Die Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr.
Mit der Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfes stelle ich nicht infrage, dass die Bundes- und Landesregierungen sowie die parlamentarischen Befürworter des Gesetzentwurfs bestmögliche Absichten verfolgen. Ich begreife es jedoch als meine Aufgabe, auch und gerade in einer solchen Situation die Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen im Blick zu behalten. Diese Verhältnismäßigkeit sehe ich durch den vorliegenden Gesetzentwurf infrage gestellt.